23.04.2019 - Beim Bestatter

23.04.2019 - Beim Bestatter

Heute kann ich Lene nochmal im Bestattungsinstitut besuchen.
Blümchen will mit. Sie will Lenes Füße sehen.

Auch meine Schwiegermutter habe ich gefragt, ob sie mitkommen will. Das will sie.

Mein Mann will nicht mitkommen.
Ich bin enttäuscht.

Ich wünsche mir so sehr, dass er sich auch nochmal verabschiedet. Und dass wir das alles als Familie begehen.

Na ja, Männer trauern halt anders, denke ich.

Das habe ich in den letzten 10 Tagen jetzt schon oft gehört.

Ich will ihn nicht unter Druck setzen und seinen Wunsch, nicht mitzukommen, respektieren.

Als wir losgehen, kommt unsere Nachbarin zufällig aus ihrer Wohnung.

Scheiße.

Ich will nicht gesehen werden.

Eigentlich haben wir uns gut kennengelernt in den letzten Monaten.

Ich mag sie sehr. Blümchen liebt sie.

Bis zur Geburt habe ich mich ihr nahe gefühlt.

Vor allem an den Tagen, die Blümchen direkt nach Lenes Geburt bei ihr verbracht hat, hat sie mir Bilder geschickt und schreibt immer wieder Nachrichten.
Ich kann gar nicht antworten.
Ich kann es einfach nicht.

Und das ist so schwer für mich. Ich wünsche mir so sehr Kontakt und gleichzeitig kann ich nichts senden.
Ich bin wie erstarrt.

Und jetzt stehen wir uns gegenüber und ich kann mich nicht entziehen.

Ich gehe auf sie zu und wir nehmen uns in den Arm.
Die Umarmung dauert einen Moment länger als üblich. Dieser Moment sagt alles.

Das ganze Mitgefühl kommt an.

Ich sage: Ich gehe jetzt einfach weiter, ok?

Ja, sagt sie.

Ich bin ihr so dankbar.

Dass sie das so hat geschehen lassen, ohne Worte finden zu wollen.

Wir fahren ins Bestattungsinstitut.

Blümchen ist aufgedreht.
Das ist anstrengend. Das passt nicht hier her.
Ich wäre gern in Ruhe mit Lene.
Sie kann Lenes Füße sehen und sie nochmal berühren.
Dann wird sie zu wild und ich schlage vor, mit ihr raus zu gehen, damit meine Schwiegermutter sich von Lene verabschieden kann.

Richtig begeistert ist Blümchen nicht von der Idee.

Sie will ihre Oma.

Wir finden gerade keinen guten Draht zueinander.

Dazu kommt, dass ich nicht mal richtig laufen kann, weil die Wunde so schmerzt.
Ich bin eigentlich gar nicht in der Lage, mich um sie kümmern.

Mir ist aber wichtig, dass meine Schwiegermutter auch bei Lene sein kann.

Nach zehn Minuten muss Blümchen aufs Klo.

Wir gehen wieder ins Haus und dann lässt sie sich nicht mehr darauf ein, mit mir rauszugehen.

Meine Schwiegermutter übernimmt und ich kann mit Lene alleine sein.

Ich habe das Tragetuch dabei.

Ich frage den Bestatter, ob er mir dabei helfen kann, sie in das Tragetuch zu legen.

Wir legen das Tragetuch auf den Tisch, dann legt er Lene darauf und dann wieder in den Sarg. Ich traue mich nicht, sie hochzuheben.

Ich ordne das Tuch um sie herum.

Der Bestatter lässt mich alleine mit ihr.

Ich gebe Dinge zu ihr.
Die Rassel, die Blümchen und ihr Papa gekauft hatten.

Eine Holzfigur von Lisa.

Eine Kette von der Sternenfotografin. Die gleiche in rot bleibt bei Blümchen.

Und eine Tulpe von dem Strauß, den Lisa mit ins Krankenhaus gebracht hatte.

Ich habe die Kamera dabei.

Will nochmal eigene Fotos machen.

Darf ich das?
Es fühlt sich komisch an.

Darf ich echt die Kamera auf mein totes Baby richten?

Ich schiebe meine Unsicherheiten weg.

Wenn sie beerdigt ist, kann ich keine Fotos mehr von ihr machen, denke ich.

Und dann mache ich Fotos.
Viele. Nur von ihrem süßen Gesicht.

Von ihrem ganzen Körper.

Von den Beigaben.

Allem.

Sie hat schon begonnen sich zu verändern.

Sie bekommt Flecken.

Die Hautablösungen verfärben sich dunkelrot.
Ihr Mund steht offen und die Lippen sind braunrot.

Sie hat Pickelchen.

Und trotzdem bin ich so voll mit Mutterliebe.

Werde ganz ruhig.

Spüre einen friedvollen Moment.

Als ich bereit bin zu gehen, sagt der Bestatter, dass er ein Gedicht ausgesucht hat und es mir vorlesen will.

Ich bin irritiert. Sowas machen Bestatter?

Für ein Kind

Ich habe gebetet. So nimm die Sonne und geh.
Die Bäume werden belaubt sein.

Ich habe den Blüten gesagt, sie mögen dich schmücken.

Kommst du zum Strom, da wartet ein Fährmann.

Zur Nacht läutet sein Herz übers Wasser.
Sein Boot hat goldene Planken, das trägt dich.

Die Ufer werden bewohnt sein.
Ich habe den Menschen gesagt, sie mögen dich lieben.
Es wird dir einer begegnen, der hat mich gehört.

Günter Bruno Fuchs

Oh gott.

Oh mein Gott.

Noch nie hat mich etwas so berührt wie das.

Dieses Gedicht bricht mein Herz und setzt es gleichzeitig wieder zusammen.

Ich weine.

Es ist mir unangenehm, vor jemandem zu weinen.

Aber ich muss mein Kind gehen lassen.

Vielleicht ist es auch ok.

Ich sage dem Bestatter noch, dass Lisa sich melden wird.

Am Morgen war mir völlig klar, dass sie zu Lene kann.

Das wollte ich ihr aber erst sagen, nachdem ich im Bestattungsinstitut Bescheid gegeben habe, damit sie nicht abwinken kann.

Ich bin sehr berührt davon, dass unsere Tochter ihr so wichtig ist, dass sie sich nochmal in Ruhe von ihr verabschieden will.

Dann sage ich, dass ich sie am Freitag nochmal sehen will.

Die Beerdigung ist am Montag.
Das ist zu lange ohne sie bis dahin.

Sie wird sich nochmal verändern bis dahin, sagt er.

Ok, ich stelle mich darauf ein, sage ich.

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