Mein erster Einsatz...

Mein erster Einsatz...

Ich habe am Sonntag Abend noch in ́s Forum geschaut, und lese von einem Einsatz in S.... Kurz drauf geht der Alarm los, aber ich wusste ja schon, dass einer kommen wird, also war ́s nicht erschreckend für mich.

Kurz den Kai gefragt, ob man mit dem Kontakt bis morgen wartet oder heute noch anruft. Kai sagt: Melde dich !

Ich habe dann erst einmal den Bruder angerufen, als der nicht an ́s Handy ist habe ich den Eltern eine SMS geschrieben, damit sie sich nicht erschrecken, da Lilli, die Zwillingsschwester im Inkubator liegt und sie auf einen Anruf vom KH warten.

Da klingelt mein Telefon, der Bruder der Mama ist dran. Ein ganz netter Mann, der sich viele Gedanken gemacht hat und sich freut, dass sich so schnell jemand gemeldet hat. Wenige Minuten später verabschieden wir uns und er sagt mir, ich soll die Eltern anrufen.

Ich rufe bei den Eltern an, stelle mich vor... ich höre gefasste Eltern, die sich freuen, dass es uns gibt.
Sie wollen sich Gedanken machen, welche Art Bilder sie gerne haben möchten und zusammen drüber reden... das KH weiß noch nicht, dass sie Bilder von ihrem Kind haben möchten. Sie selbst haben am Freitag Bilder gemacht, die sie gerne bearbeitet hätten, ob wir so etwas auch machen.

Ja, sagte ich, das machen wir auch.

Wir haben noch ein wenig miteinander gesprochen und sind so verblieben, dass die beiden sich morgen melden, nachdem sie mit der Klinik gesprochen haben.

Gegen Mittag klingelt mein Handy, ich zucke kurz zusammen... Ja, es ist die Mama vom kleinen Elia. Sie haben lange überlegt und gesprochen und sie können sich nicht vorstellen, ihn zusammen mit seiner Schwester zu fotografieren... auch sollen in der Klinik keine Bilder gemacht werden, sondern erst beim Bestatter, da die Eltern Elia Geschenke mitgeben möchten, die noch nicht fertig sind.

Sie haben sich auch dazu entschieden, dass sie keine Bilder von seinen kleinen Füßchen haben wollen... er soll nicht ausgezogen werden... Bilder vom Kopf und den Händen reichen ihnen...

Auch ich mache mir Gedanken, weil der Kleine ja bereits am Freitag verstorben ist... wie wird er aussehen ?
Wann melden sich die Eltern wieder bei mir ?
Werden sie beim Bestatter dabei sein ?

Meine Gedanken kreisen... mein Handy lasse ich seit gestern Abend nicht mehr aus den Augen... wie wird er sein, mein erster Einsatz ?

Mein Mann fragt mich, was ist, wenn das Baby „schlimm“ aussieht und ich „das dann nicht kann“... ich sage zu ihm: „Ich kann es ! Ich weiß, dass ich es kann !“... und schaue zum Millionsten Mal auf mein Handy.

Es ist Dienstag, mein Handy klingelt wieder und es ist die Mama, die mir sagt, dass wir am Donnerstag bzw. Freitag die Bilder von Elia machen können. Ich lasse mir die Adresse vom Bestatter geben... wir werden uns dann dort treffen.
Die Eltern bedanken sich bei jedem Anruf gefühlte 1000 Mal... und jetzt, da ich weiß, wann die Bilder gemacht werden bin ich ruhig und gelassen... die Anspannung ist wie weggefegt... wahrscheinlich bis Freitag, wenn ich mich auf den Weg mache...

Es ist Freitag... die beiden Großen sind schon los zur Schule, der Flummi schläft noch, den muss ich gleich wecken, da ich ihn auf dem Weg zu Elia bei meinen Eltern vorbeibringen werde.
Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, weil ich geträumt habe, dass der Sternchenpapa mich angerufen hat, dann aber nichts weiter als seinen Namen gesagt hat...

Scheiße, ich bin doch ganz schön nervös... gut, dass ich noch eine ganze Weile Auto fahren muss... oder doch nicht so gut ? Ich weiß es nicht, meine Gedanken sind noch ganz wirr... es tut gut, es hier aufzuschreiben...

7:37 Uhr... jetzt muss ich den Flummi aber wirklich wecken, sonst wird ́s stressig auch noch... macht ́s gut ihr Lieben, bis heute abend oder so... heute Nachmittag darf ich noch eine kleine Familie fotografieren, die glücklich sind mit ihrem lebenden Kind. Kontrastprogramm halt, so wie das Leben nunmal ist...Die Hinfahrt zum Bestatter hat ca. 1,5 Stunden gedauert und hat sich angefühlt, als wären es 3 Stunden. Ich hatte aber während der Fahrt gar keine Zeit mir Gedanken zu machen, weil ich die Strecke ja nicht kannte und so dermaßen auf ́s Fahren und die Strecke konzentriert war...
Als ich dort ankam, standen die Eltern und der Bestatter schon da und warteten auf mich. Die Eltern waren noch so jung...

Der Bestatter öffnet "das Tor" und da steht der winzig kleine weiße Sarg vor uns... die Eltern schlucken, sind aber noch ganz gefasst... sie sagen mir, welche Bilder sie sich wünschen und ich funktioniere.... während die Mama die Bilder, welche die Eltern ausgedruckt dabei haben am Sarg drapiert macht der Papa kleine Tesa-Streifen zurecht, um die Bilder festzukleben, auch das soll ich bildlich festhalten.

Als der Sarg ringsherum mit Bildern beklebt ist, wird der Deckel geöffnet, ich halte für einen Bruchteil einer Millisekunde den Atem an... wie wird er aussehen ?
Mama und Papa schlucken... die Mundwinkel zittern... und dann sehen sie ihren Schatz... und Elia sieht so wunderschön aus !!!

Der Mama kullern die Tränen, der Papa reißt sich zusammen... sie haben Geschenke für den Kleinen mitgebracht, die sie ihm mit in den Sarg legen. Unter anderem eine Decke, in die er immer gekuschelt war, wenn sie ihn im KH auf der Brust liegen hatten.

Die Decke soll unter ihm liegen, ich merke, wie die Mama zögert ihren Sohn hochzuheben... der Bestatter zieht seine Handschuhe an... ich weiß, dass er das machen muss, aber ich finde es in diesem Moment einfach
nur grausam... die Mutter flüstert: "Ich will ihn selbst nehmen"... der Bestatter fasst Elia an, die Mutter ist stumm... ich erschrecke vor mir selbst, als ich laut und deutlich sage: "Die Mama möchte Elia selbst halten !"

Der Bestatter lässt ihn wieder los, die Mama schaut mich dankend an und hebt ihn ganz vorsichtig aus dem Sarg... der Papa legt die Decke ganz vorsichtig in den Sarg... die Tränen laufen, beim Papa, der Mama und auch bei mir...

Die Kamera arbeitet quasi von alleine... *klick klick klick* ich will keinen Moment verpassen...

Elia wird wieder in den Sarg gelegt, wir machen Bilder, auf denen die Eltern ein Herz formen... Bilder von seinem Gesicht, den winzigen Händchen... der Papa sagt, es reicht... die Mama kann und will sich noch nicht verabschieden, sagt: "Wenn wir jetzt gehen, ist es so endgültig"... wir bleiben noch einen Moment stehen, die Mutter streichelt ganz zart die Stirn ihres Sohnes und jetzt, jetzt traut sich auch der Papa, seinen Sohn ein letztes Mal zu berühren, ehe er zusammen mit dem Bestatter den Sargdeckel zumacht.

Wir machen noch Bilder vom fertig geschmückten Sarg und den Eltern, dann gehen wir hinaus... ich lasse mir den Vertrag noch ausfüllen... VÖ wollen die Eltern auf keinen Fall. Ich versichere ihnen, dass 100%ig nichts veröffentlicht wird, wenn sie das nicht möchten... und dann unterhalten wir uns noch eine Weile... über Elia und Lilli, der es aktuell gut geht und es stetig bergauf mit ihr geht.

Ja, das war er also, mein erster Einsatz... und ja, ich würde/werde es immer und immer wieder tun !


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