Teil 3- Die letzte gemeinsame Zeit und der Abschied hier auf Erden
Es war schwer bis unmöglich zu begreifen, was geschehen ist. Wir mussten uns eine Klinik aussuchen, in der wir unser Liebstes auf die Welt bringen mussten, wir entschieden uns für das Neustädter Krankenhaus in Dresden. Wir fuhren gemeinsam dort hin, um alles weiter zu besprechen und nochmals wurde ich dort untersucht. Ich hatte immer noch die Hoffnung in mir, dass es unserem kleinen Mann doch plötzlich bessergeht. Dies war leider nicht der Fall und es wurde die stationäre Aufnahme für den 25.05. geplant. Nun blieben uns noch 1,5 Wochen. Mit unseren beiden Jungs bastelten wir kleine Dinge, die unser Wuno auf seine letzte Reise mitbekommen sollte. Sie schrieben ihm einen Abschiedsbrief, bemalten Steine, einfach wunderbare kleine Dinge, die doch so unmessbar groß und liebevoll waren. Wir kauften ein Handtuch, in welches er nach der Geburt gewickelt werden sollte. Es war ein blaues mit einer Möwe und dem Schriftzug „Ahoi“ drauf. Wir bestellten eine Kette mit einem Kreuz und dem Ewigkeitszeichen herum gleich zweimal, eine für Wuno und eine für mich, welche ich nun trage. So viele kleine Schätze kamen in eine wunderschöne Holzkiste, auf dem Deckel sind Herzen heraus geschnitzt. Wir kauften eine Grabkerze und jeder schrieb ein paar Worte für unseren kleinen Mann darauf. Ich streichelte meinen Bauch und rieb ihn die letzten Male noch mit Öl ein. Ich wusste, dass dies bald nicht mehr sein wird. Wir weinten gemeinsam, lachten aber auch zusammen, wir taten alles, was uns irgendwie half, in der schwersten Zeit unseres Lebens zurecht zu kommen. Der letzte Abend zu Hause, ich weiß nicht mehr wirklich, wie wir diesen erlebt haben, ich fühlte mich wie betäubt, raus gerissen aus dem Leben, was vor kurzem noch so schön und vollkommen war... Ich war in der 18 SSW.
Unsere beiden Jungs waren in unserer Familie untergebracht und somit wussten wir, dass sie für diese Zeit gut aufgehoben sind. Das war mir sehr wichtig, denn mir war bewusst, dass es auch für sie ein riesen Schmerz bedeutete, was mir in der Seele weh tat. Der Dienstag war da und wir fuhren Vormittag nach Dresden und meldeten uns an. Mein Partner und ich bekamen ein Zimmer und als wir dies betraten, war es für mich nicht greifbar, dass hier unser Junge auf die Welt kommen wird. Wir schoben unsere Betten zusammen und richteten uns ein. Ich bezog mein Bett, da ich eigene Bettwäsche mitgenommen hatte, es waren Marienkäfer darauf, bis heute ist mir diese Bettwäsche heilig. Die Ärzte, Hebammen, das gesamte Team war sehr einfühlsam und sie gaben uns das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Sie sagten uns, dass wir entscheiden, in welchem Tempo wir gehen und dass wir alles bekommen, was wir benötigen. Bis heute bin ich für diesen würdevollen Umgang unendlich dankbar! Am Nachmittag 15 Uhr entschied ich mich, dass wir mit der Einleitung beginnen können. Den wirklich richtigen Zeitpunkt gab es für mich nicht, da sich das Leben für mich eh völlig falsch anfühlte. Ab diesen Moment fing es auch an, dass Raum und Zeit komplett verschmolzen und es nur noch unsere kleine Welt gab, unsere Welt des Abschied Nehmens. Nach Beginn der Einleitung passierte mehrere Stunden nichts, so legten wir uns abends schlafen. Ich wurde stündlich wach und jedes Mal redete ich zu meinem kleinen Schatz, dass ich ihn einfach über alles auf der Welt liebe. Ich schlief immer wieder während des Weinens ein. Heute weiß ich, dass ich noch nicht bereit war, loszulassen. Der nächste Tag brach heran und die Einleitung ging weiter, ich bekam aller 4 Stunden zwei Tabletten, welches Wehen herbeiführen sollte. Am Nachmittag merkte ich, dass irgendwas anders ist und ich spürte ein leichtes Ziehen. Ich fing an, mich innerlich von meinem Schatz zu verabschieden. Mein Partner schrieb unter Tränen einen Abschiedsbrief an unseren kleinen Mann, noch nie habe ich ihn so bitterlich weinen sehen. Wir gaben uns gegenseitig Halt und trösteten einander, lagen uns in den Armen und weinten gemeinsam. Die Wehen gingen wieder etwas zurück und so legten wir uns abends wieder schlafen. Die Nacht 01:21 Uhr wurde ich wach und ich wusste, dass irgendetwas anders ist.
Ich hatte starke Schmerzen und musste zur Toilette, ich sah das Blut und weckte meinen Mann, dass er die Hebamme rufen solle. Als sie mich untersuchte, sagte sie, dass es losgeht und mein Muttermund schon 2cm geöffnet sei. Ich fing an zu zittern und war auf einmal überfordert mit der Situation. Die Hebamme beruhigte mich mit ihrer einfühlsamen und zugewandten Art und ich konnte mich somit voll und ganz auf die bevorstehende Geburt einlassen. Mein Partner war mir dabei die größte Stütze und er wich mir nicht mehr von der Seite. Ich atmete jede Wehe ganz bewusst mit. Die Kerze, welche wir gemeinsam mit den Kindern gestaltet hatten, brannte die ganze Zeit und auch die Kiste mit den vielen besonderen Schätzen darin, stand leicht geöffnet auf der Fensterbank. Auch aus diesen Dingen schöpfte ich die Kraft. Zudem war es die Nacht, als der Supermond hell am Himmel schien. Bis heute sehe ich den Mond und den Sternehimmel mit anderen Augen, mit den Augen einer Sternchenmama. Ab einem gewissen Zeitpunkt spürte ich genau, wo mein kleiner Junge lag und dass es nicht mehr lange dauern würde. Es überkam mich plötzlich ein Gefühl, ich kann es bis heute nicht erklären, ich weiß, dass es der Moment war, als unser kleiner Mann zu den Sternen reiste. Um 03:24 Uhr kam unser kleiner Engel auf die Welt. Ich kann es nicht in Worte fassen, aber es war ein zu tiefst friedlicher Moment, als ich ihn nun in meinen Armen hielt, meinen liebsten Schatz, meinen wunderschönen Engel. Ich berührte ihn, küsste ihn, mein Baby. Er wog 300 g und war 22 cm klein. Es war deutlich zu erkennen, dass die Ärzte recht behielten und er eine übergroße Blase hatte, für mich war und ist er trotzdem der schönste Engel!!! Kurz darauf musste ich jedoch in den OP zur Ausschabung. Mein Partner war währenddessen draußen und er erzählte mir, wie er die Welt um sich herum wahrnahm. Wie er die Vögel zwitschern hörte, wie das Leben einfach weiterlief, während unsere Welt stillstand. Als ich aus der Narkose erwachte, wollte ich sofort zu meinem Baby. Ich wurde wieder hoch ins Zimmer gebracht und bekam sofort meinen kleinen Engel wieder. Ich betrachtete ihn mit tiefster Liebe, so ein kleines zartes Wesen, unser Wunder- Wuno. Gegen 07:00 Uhr kam ein Sternenfotograf, welcher uns das schönste Geschenk machte, die Fotos von unserem Kind. Er brachte auch ein paar zarte Blümchen für unseren Jungen mit. Als wir dann wieder für uns waren, schliefen wir irgendwann ein, unser Baby lag zwischen uns, ganz nah bei mir. Als ich erwachte, musste ich kurz innehalten und überlegte, wo ich bin und was geschehen war. Ich sah meinen Engel neben mir liegen, so still und friedlich, ich nahm ihn auf meine Brust und huschelte ihn. Ich stand auf und trug ihn die ganze Zeit herum. Mein Partner erwachte ebenfalls und so verbrachten wir die Zeit, als kleine Familie, nur eben, dass unser Schatz ein Engel war. Ich habe so viel wie möglich wahrgenommen, hab den Geruch von meinem Kind aufgesogen, hab ihn immer wieder liebkost, all meine Liebe habe ich diesem kleinen zarten Wesen geschenkt. Der Tag verging und wir spürten, dass die Zeit gekommen war, ihn zu übergeben. Wir legten ihn sanft in sein Weidenkörbchen und umhüllten dies mit dem blauen Möwenhandtuch. Mir zerbrach es das Herz in alle Einzelteile, ihn nun abgeben zu müssen. Was hätte ich dafür gegeben, ihn für immer bei mir hier auf Erden haben zu können. Wir gingen gemeinsam mit ihm zum Fenster, um seine Seele frei zu lassen und sprachen das Gebet, welches wir die Tage zuvor immer wieder auch mit unseren Kindern sprachen, es heißt „Bevor du gehst“. Mir war es kaum möglich diese Worte zu sprechen, zu tief war der Schmerz, welcher sich bis heute nicht in Worte fassen lässt. Nun war er da der Moment, vor dem ich mich die ganze Zeit fürchtete. Ich überreichte mein Heiligstes, mein Seligstes, mein geliebtes Kind der Hebamme. Ich konnte nicht mal annähernd ahnen, mit welcher Wucht es mich erschlagen wird. Ich brach innerlich zusammen! Nun standen mein Partner und ich da, ohne Kind und fuhren allein nach Hause. Zu Hause angekommen, fühlte ich nun diese komplette Leere in mir und die rückblickend kann ich sagen, dass es die ersten Wochen nach der stillen Geburt, ein absoluter Überlebensmodus war. Meine beiden Kinder und mein Partner waren in der schwersten Zeit meines Lebens der größte Halt für mich! Unseren kleinen Wuno haben wir nach Bautzen geholt, damit er hier beerdigt werden kann. Auch hatten unsere beiden Jungs die Möglichkeit, sich von ihrem Bruder zu verabschieden.
Dies war auch für sie ein wichtiger Teil, um zu realisieren, dass er nun wirklich von uns gegangen ist, aber auch, dass sie nun einen kleinen Bruder haben. Nach einiger Zeit war ich in der Lage, auch Bilder von unserem Sternchen aufzuhängen. Bis heute haben wir unsere festen Rituale, jeden Abend brennen mehrere Kerzen für ihn und wir sagen ihm Gute Nacht. Wir lieben ihn bis zum Mond und wieder zurück und noch viel weiter... In ewiger Liebe, deine zwei Brüder Lucas und Nino, dein Papa und deine Mama
Anhang: Wie Wuno zu seinem Namen kam
Da wir nach der 12. SSW schon so langsam anfingen, nach einem Namen zu suchen, wurde ich bei einem Mädchennamen auf Yuna aufmerksam, welcher mir einfach gefallen hat. Als uns gesagt wurde, dass es ein Junge ist, haben wir aus Spaß gesagt, dass er dann einfach Yuno heißen wird. Das war kurz nach der 14 SSW. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir wirklich noch die Hoffnung, dass ich unser Mäusel austragen könnte und er eine Chance auf Leben hat, auf sein Leben, unser Leben. Eines Tages, zum Abendbrot, fing unser Jüngster ein Spiel an, in dem alle Wörter mit W beginnen sollten, so wurde z. B. aus Hallo wurde Wallo. Wir unterhielten uns so eine Weile in dieser W- Sprache, bis wir meinten, dass ja unser kleiner Yuno nun Wuno heißt. Ab diesem Moment war es unser kleiner Wuno, unser Wunder Wuno. Dieser Name hat eine ganz besondere Bedeutung für uns alle, weil er in einem fröhlichen Moment, voller Leichtigkeit entstand...
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