Es war im Spätsommer 2018, kurze Zeit nach der erneuten Enttäuschung, nicht schwanger zu sein, als mein Freund mir den Link zur Website von „DEIN Sternenkind“ schickte. Er überlege, ob er hier einsteigen solle. Meine Antwort dazu war „Wenn du das kannst, ja, dann mach es…! Ich könnte es nicht…“
Damals ahnten wir nicht, dass wir nicht einmal 6 Monate später auf „der anderen Seite“, der Seite der Eltern, stehen würden…
Heute, am 11. Februar 2020, ist es genau ein Jahr, dass das unfassbare Unglück über uns hereinbrach.
„Das Wichtigste ist, dass es dem Bauxi gut geht und da schauen wir jetzt gleich nach“, sagt die Ärztin lächelnd. Sie schaltet das Ultraschallgerät ein, beginnt die Untersuchung, „Da sehen wir jetzt den Kopf…“ , sagt sie. Plötzlich bricht ihre Stimme ab, ihr Gesichtsausdruck verändert sich, ihre Stirn liegt in Falten, rasch drückt sie einen Knopf, Stille.
„Stimmt etwas nicht?“ Sie deutet auf die milchig-trübe Blase, die unser Kind umhüllt. „Es hat sich ein Ödem gebildet.“ – Ok?? Was bedeutet das?
„Ich werde jetzt schauen, ob das Herz noch schlägt…. Es tut mir leid…“
Nein!!?! Nein!?! Das kann nicht sein?!?! Es war doch alles ok? Das Baby war doch bei der letzten Untersuchung vor 4 Wochen noch quietschvergnügt? Hat sich von der Wand der Fruchtblase immer wieder abgestoßen und hin- und hergeschaukelt, „gewunken“….
Ich bin im Schockzustand.
„Vermutlich genetisch, möglicherweise bei der Verschmelzung…“ – höre ich die Ärztin sagen. Ich funktioniere – „Ok, und wie geht es jetzt weiter?“ „Ich schreibe Ihnen eine Überweisung. Sie schildert mir das Procedere der Einleitung der Geburt.
Ich möchte aufstehen, muss zurück in die Arbeit- NEIN, ich kann nicht die Arbeit, ich muss anrufen, dass ich heute nicht mehr kommen werde. Mein Kreislauf bricht zusammen.
„Kann sie jemand abholen? Sollen wir ein Taxi rufen? „Doch ich bin mit dem Auto hier, allein, mein Freund zuhause. Ich möchte nur nach Hause. „Ich kann selbst fahren,“ höre ich mich sagen, „Es ist nicht weit, das schaffe ich…“
ich stehe auf „Ja, wahrscheinlich war es so besser…“ höre ich mich zur Ärztin sagen, als ich den Untersuchungsraum verlasse. Nein, es ist so nicht besser! Ich hätte alles getan, ich wäre für dich auch gestorben, wenn es dein Leben gerettet hätte….
Im Auto nach wenigen Minuten der Zusammenbruch, ich weine, schreie „Wie soll ich das nur schaffen?!? Wie soll ich das nur schaffen?!?“ immer wieder dieser Satz. WIE SOLL ICH DAS NUR SCHAFFEN?
„Unser Baby ist tot!“ rufe ich verzweifelt und unter Tränen als ich die Wohnung betrete….
Wir entschließen uns noch heute in das von der Gynäkologin 30km entfernte Krankenhaus zu fahren, um die Geburt einzuleiten.
„In zwei Tagen werden Sie dann ein Zäpfchen bekommen. Sie können auch zuhause gebären, wenn Sie sich das zutrauen.“, erklärt uns die Oberärztin. Ich bin überfordert, nein, ich möchte unser Kind im Krankenhaus zur Welt bringen…
Überfordert werde ich in diesen ersten beiden Tagen und auch die Zeit danach noch sehr oft sein.
Werde ich mein Baby gut in den Tod begleiten? Wirst DU einen Platz bei uns haben? Werden wir dich auch nie vergessen?? Bestatten. Bestatten? Wie sollen wir unser Baby bestatten?
Wird jemand ein Foto machen? Da gibt es doch diesen Verein… ich google, doch sehe in erster Linie Fotografen in Deutschland und dann… so kurzfristig, ob das möglich ist?... und ich bin ja erst in der 18. SSW…kann ich da auch jemand rufen? Kann ICH jemand rufen? Vielleicht ruft ja das Krankenhaus einen Fotografen?
All diese und viele andere Fragen gehen durch meinen Kopf.
Zwei Tage später dann Aufnahme ins Spital. Wir warten auf der Geburtenstation auf unser Zimmer. Die Mütter wandern mit ihren Babys im Bettchen vorbei….
Die Ärzte, Ärztinnen, Krankenschwestern und unsere Hebamme sind sehr freundlich, bemühen sich, sind verständnisvoll.
Die Wehen werden stärker, die Ärzte drängen zu Schmerzmittel, doch ich habe große Sorge, dass ich nicht spüre, wenn unser Baby kommt.
Die Schmerzen nehmen zu, die Ärzte bereiten ein starkes Schmerzmittel vor, doch ich beteuere nach wie vor, es wäre ok.
Ich beginne zu pressen. Plötzlich, um 16 Uhr, die Fruchtblase platzt, nun bin ich überfordert, doch ich spüre keinerlei Schmerzen mehr.
Visite. Die Schmerzen würden nun eventuell noch mal stärker werden, sagen die Ärzte, pochen wieder auf ein stärkeres Schmerzmittel, doch noch immer möchte ich kein zusätzlich.
15 Minuten später gebäre ich unseren Sohn Levi. Er ist so hübsch, seine hübsche Nase, Augen, Ohren, Hände, die dünnen Fingerchen, seine Zehen… So winzig und doch so hübsch, so als würde er schlafen.
Die Ärztin kommt, er wird weggebracht, soll von der Hebamme gewaschen werden.
Die Zeit vergeht, eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei Stunden, noch immer nicht wurde Levi wieder zu uns gebracht. Ich höre das Schreien Neugeborener, während ich auf mein Neugeborenes warte, das still sein wird, keinen Schrei von sich geben wird...
Endlich, um 19.30 kommt die Hebamme. Sie habe zwei Geburten betreut, könne Levi erst jetzt waschen, dann würde sie ihn uns bringen.
Als Levi dann etwa eine halbe Stunde später zu uns gebracht wird, sieht er nicht mehr so aus, wie zu dem Zeitpunkt als er aus mir geschlüpft ist. Die Haut ist aufgeweicht. Auch das Foto wurde von der Hebamme erst jetzt gemacht… Das macht mich heute noch zusätzlich traurig.
Nach der Geburt verspüre ich neben der grenzenlosen Traurigkeit auch Euphorie, Erleichterung und die unbändige Sehnsucht nach meinem Kind…
Ich konnte unsere Buben bis zu seiner Beisetzung im Familiengrab immer wieder im Krankenhaus besuchen – und noch heute staune ich über das Wunder der Natur: Wenn ich Levi zu mir bekam, berührte ich ihn, erzählte ihm sein Leben, sang ihm Lieder vor, weinte unzählig viele Tränen und – ich war innerlich völlig ruhig. Es war als sei all die Unruhe, Anspannung, Verzweiflung in diesen Momenten des Zusammenseins wie weggeblasen. Mein mütterliches Bedürfnis bei meinem Kind sein zu wollen, wurde in diesen wenigen Minuten, die uns blieben, gestillt - bis ich mich dann körperlich für immer von ihm verabschieden musste.
Ich entschied mich für eine Bestattung mit dem Pfarrer der Pfarrgemeinde. Anfangs war ich unsicher, wollte ich doch eine persönlich gestaltete Feier. Doch unser Pfarrer hatte mich bereits mit seinem ersten Satz überzeugt: „Da spricht man immer von Gottes Wille, aber bitte, was soll da Gottes Wille sein, wenn er ein ungeborenes Kind zu sich holt?! Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Ich verstehe das nicht!“
Die Bestattung fand im kleinen Rahmen statt, das Wetter grauenhaft, passend zum Ereignis. Ich hielt Levi in seinem Kistchen, das mit einem Band geschmückt war, in den Händen. Mich quälte die Frage, ob ihn mir die Bestatterin auch so gereicht hatte, dass sein Blick auf mich gerichtet ist. Bevor er in das Grab gelegt wurde, konnte ich nicht umhin sie zu fragen, wo denn sein Köpfchen liege. Ich war beruhigt: Er kann uns ansehen, wenn er an seinem letzten Platz liegt…
Auf seine Reise bekam Levi einen Ring mit, er war seit meiner Sekundarstufenzeit mein Glücksbringer – nun sollte er Levi auf seiner Reise Glück bringen. Außerdem sollte er auch einen Beschützer bekommen: Yoda. Wer, wenn nicht ein Yedi-Ritter kann ihn besser bei den Sternen beschützen?
Die Wochen nach der Geburt waren unsagbar traurig. Der Frühling kam. Die Sonne am Himmel, die ersten Frühlingsboten sprossen aus der Erde. Unsere Zimmerpflanze bekam junge Triebe.
Und ich? Ich fand all das ungeheuerlich. Wie konnte nun die Sonne scheinen? Wie konnte unser Avocadobäumchen junge Triebe bekommen? Wie konnte nur etwas wachsen, wenn das Wichtigste in meinem Leben so früh sterben musste?!? Einzig die Sterne, die wollte ich sehen, um den einen zu suchen, auf dem Levi nun wohnte….
Heute – ein Jahr nach Levi’s Geburt – darf die Sonne wieder scheinen. Es freut mich auch, wenn die ersten Knospen sprießen, die Blumen aus der Erde kommen. Für Levi kaufe ich regelmäßig Spielzeug, das bei Schönwetter auf sein Grab kommt. Und es gibt sie tatsächlich wieder, die Tage an denen ich Freude empfinde. Unsere Hündin trägt viel dazu bei – deshalb bekommt Levi nun im Frühjahr auch einen Hund als Begleiter auf sein Grab.
Heute weiß ich, ich kann mein Kind im Tod begleiten, ich werde ihn immer lieben, er ist tief in meinem Herzen. Und wir sind Eltern, Papa und Mama – auch wenn das viele nicht so verstehen, wir zu Vater- und Muttertag nicht gratuliert werden.
Doch bin ich glücklich? Wenn ich früher in mich reinhörte, dann spürte ich auch in schwierigen Zeiten, in meinem Innersten, da bin ich glücklich. Das ist heute nicht mehr so. Nein, ich bin nicht glücklich. Ich kann lachen, ich freue mich, doch egal, welche Emotionen ich nach außen zeige, da gibt es ihn, meinen traurigen Kern, der für immer Sehnsucht nach unserem Buben verspürt. Es ist „die Abwesenheit des Glücks“ – wie auch Rainer Juriatti in seinem Buch schreibt….
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