Ich bin ehrenamtlicher sternenkinder fotograf. An einem Donnerstag bekam ich via Alarmapp einen Notruf, ich habe mich sofort auf der Dein Sternenkind Seite eingeloggt und mir war schnell klar, dass ich den Einsatz um die Ecke übernehmen werde. Ich telefonierte noch am selben Abend mit den Eltern, das kleine Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen, Freitagvormittag sollte eingeleitet werden. Im Forum von Dein Sternenkind gab es bereits einige Backups für den Fall, das mir doch etwas dazwischenkommen sollte. Seit dem darauffolgenden Freitagmorgen waren meine Fototasche sowie eine Reisetasche mit diversen Sachen, wie einem Nestchen, Decken, ganz kleinen Mützchen und Kleidung gepackt. Diese Taschen verstaute ich in meinem Auto um jederzeit Einsatzbereit zu sein. Ich bin ein Mensch der sein Handy immer auf lautlos gestellt hat...seit Freitag nicht mehr. Mal abgesehen davon, dass ich bei jedem eingehenden Anruf zusammengezuckt bin, war ich jedes Mal etwas verwirrt, da ich meine Anrufmelodie überhaupt nicht in Aktion kannte. Ich achtete immer darauf, dass mein Akku voll genug war, das Navi bereits eingestellt und natürlich mein Auto vollgetankt. Ich hatte gestern ein schlechtes Gewissen nach Gütersloh zu fahren, weil ich Sorge hatte in ein Funkloch zu kommen, meine Tasche immer dabei ...
Am Abend wollte mein Telefon unbedingt ein Update machen und ich dachte, ...aber was, wenn in diesen Minuten die Eltern anrufen? Was wenn sie mich nicht erreichen? Bekomme ich auch eine SMS, wenn das Telefon mal kurz aus war? ... Man macht sich buchstäblich verrückt, schaut dass man die eigenen Kinder im Notfall schnell unterbringen kann, lädt doch nochmal die vollen Akkus der Kameras, vergewissert sich nochmal ob Speicherkarten leer und vorhanden sind, legt schon mal Kleidung zum Anziehen heraus... als ob die Eltern interessiert was man in diesem Moment an hat...
Am darauffolgenden Morgen bekam ich die Nachricht, dass der kleine Stern in der Nacht geboren wurde. Ich war ein wenig erleichtert, dass die Mama es geschafft hatte, dass das Warten ein Ende hatte. Ich fuhr etwas früher als geplant los, denn es ist bei Kliniken nicht immer so einfach einen Parkplatz, bzw. überhaupt den Eingang oder die Station/ das Zimmer sofort zu finden. Auf dem Weg zum Haupteingang sah ich den Kassenautomaten des Parkplatzes, denn nachdem ich ein Sternenkind fotografiert habe bin ich immer etwas, ja wie soll ich sagen... hinüber. Es ist mir schon ein paar Mal passiert, dass ich etwas orientierungslos herumgelaufen bin, weil ich nach solchen Bildern einfach keinen Kopf mehr für diese banalen Dinge habe, hört sich blöd an, ich weiß. Ich fand das Zimmer fast sofort, ich wurde bereits erwartet. Ich wurde schon oft gefragt, was einem durch den Kopf geht, wenn man diese Art von Ehrenamt macht.... Ganz ehrlich? Nichts. Mein Kopf ist leer, ich werde ruhig und erkläre den Eltern was ich mitgebracht habe, ob sie besondere Vorstellungen haben...usw. Wie bei einem normalen Neugeborenen Shooting, nur das es dies in dem Fall nicht ist und einem am Ende, Mittendrin oder irgendwann Tränen hochkommen. Es ist kein Zeichen von Schwäche oder ein Zeichen, dass ich dieser Art der Fotografie nicht gewachsen bin. Sondern ein Zeichen von Empathie, Mitgefühl und ich finde, auch wenn ich diese wunderbare Familie nicht kenne und theoretisch keinerlei Beziehung zu dem kleinen Sternchen habe, ist es ok auch traurig zu sein. Es ist eine junge Familie, sie haben bereits eine kleine Tochter. Sie haben von dem Tod ihres Sohnes im Mutterleib erst Vorgestern erfahren, heute wurde er geboren. Ich werde so unglaublich herzlich empfangen, sie sind so dankbar für diese Möglichkeit der Bilder. Matteo ist so klein, er ist mein kleinstes Sternchen. Die Mama hat ihm ein winziges Armband umgemacht, welches vorher an ihrem Handgelenk war. Er ist klein, aber es ist schon alles dran sagen sie stolz. Ich packe alles für die Bilder aus und erkläre währenddessen was ich nun genau mache. Ich mache Bilder von Händen Füßen, dem Gesicht, auf dem Arm der Eltern und noch viele, viele mehr. Die Mama fragt mich ob sie mich dabei fotografieren dürfte, ich bejahe.
Wir sind gemeinsam still, wir lachen gemeinsam und natürlich weinen wir auch zusammen. Die Atmosphäre ist ruhig und liebevoll, Matteo soll die Kleidung, die ich ihm angezogen habe behalten, er sieht wunderschön aus. Zum Abschied drücken wir uns noch einmal ganz fest, dieser Einsatz ist mir sehr nahegegangen. 3 Wochen später komme ich vom Spätdienst nach Hause, im Flur liegt ein Päckchen für mich. Ich achte nicht auf den Absender, ich bin gestresst und will einfach zu meiner Familie, es waren harte Tage, was die Arbeit angeht, aber besonders privat. Ich bin emotional etwas am Ende. Ich stutze als das Päckchen geöffnet ist, schließe es nochmal und schaue auf den Absender. Von den Eltern des kleinen Matteo. Mein Herz klopft, und dennoch werde ich ruhiger, ich öffne es erneut und breche spontan in Tränen aus. Eine wunderbare Karte in der nochmal die Dankbarkeit der Beiden ausgedrückt wird, eine Tafel Merci, ein Kinogutschein und ein wunderschönes Foto von mir beim Fotografieren ihres Sternchens. Ich habe mit vielem gerechnet, oft höre ich von Eltern nichts mehr oder erst sehr spät, aber das hat mich wirklich den Stuhl unter dem Hintern weggerissen...
Ich bin dankbar, dass ich die ersten und letzten sternenkinder fotos des kleinen Matteo machen durfte und hoffe so sehr, dass es den Eltern irgendwann wieder besser geht, ich werde ihn niemals vergessen und trage auch ihn in meinem Herzen und auf meiner Haut. Ich bin so unglaublich stolz darauf, dass ich Eltern mit meiner sternenkinderfotografie den schweren Weg ein wenig leichter machen kann.
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