Clara und Milan

Clara und Milan

Speyer - Zwillinge - 17. Woche....

Ich bin sternenkinder fotograf. Mein Ehrenamt erfüllt mich mit stolz, weil ich mit der sternenkinderfotografie die wichtigsten Bilder überhaupt mache. sternenkinder fotos. Wie so oft - hatte ich auch als dieser Alarm einging das Gefühl...das wird mein Einsatz werden.
Nicht, weil ich nur 15-20 Minuten Anfahrt zu dieser Klinik habe, sondern weil ich einfach das Gefühl habe, dass ich zu diesen Eltern gerufen werde.
Einige Momente habe ich dennoch abgewartet im Forum zu schreiben, dass ich die kommenden Tage flexibel und verfügbar sein könnte, weil ich 'niemandem etwas wegnehmen' möchte, falls ein anderer unserer tollen Fotografen vielleicht ebenfalls dieses oben beschriebene Gefühl haben sollte.
Letztendlich war es aber dann doch so, dass ich voraussichtlich zu diesen kleinen Zwillingen fahren würde.

Ich habe also mit einem Papa telefoniert, der mir sofort sehr sympathisch war und sich total offen und aufgeschlossen zeigte.
Er erzählte mir, dass nun gleich mit der Einleitung der Geburt begonnen wird und dass es Geschwister gibt - ebenfalls Zwillinge, 8 Jahre alt.
Die großen Geschwister seien von Beginn der Schwangerschaft an, komplett involviert und wüssten auch, was nun passiert sei und was die kommenden Tage noch passieren wird. Auf meine Frage hin, ob die Geschwister dann auch bei den Fotos dabei sein werden, sagte er, dass sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht hätten, aber wenn das möglich ist und sie wollen - dann natürlich sehr gerne! Die Mini-Zwillinge seien gestorben wegen eines vorzeitigen Blasensprungs und er würde mich auf dem Laufenden halten und mich dann anrufen, wenn die Kleinen geboren sind.
Das Handy habe ich dann abends mit ans Bett genommen und kaum hatte ich (mein abendliches Ritual) angefangen zu lesen, 'blubberte' mein Handy. 23:52 Uhr - eine Nachricht. Ich schaute aufs Handy und wirklich - die Nachricht war vom Papa: Die Kinder sind auf der Welt. So schnell hatte ich mit der Geburt ehrlich gesagt, gar nicht gerechnet. Die Mama musste dann noch operiert werden und wir verabredeten, dass ich am kommenden Morgen gegen 9 Uhr bei ihnen sein würde.

Am Morgen bin ich dann sehr zeitig aufgestanden, damit ich Zeit habe, richtig wach zu werden und merkte - auch wenn ich nun doch schon so viele Einsätze hatte - dass ich (wie jedesmal) wieder ziemlich nervös war. Aber ich mag - oder besser gesagt - ich brauche diese Nervosität und bin irgendwie dankbar dafür. Wenn diese Angespanntheit einmal ausbleiben sollte und sich für mich damit ein Gefühl einschleichen würde, dass dieser Weg zu einer Routine werden könnte.... ich glaube, das würde mir nicht gefallen.

Ich habe mir also Zeit genommen, in Ruhe Kaffee zu trinken, eine Decke und Erinnerungsstücke auch für die Geschwisterkinder einzupacken und habe mich dann auf den Weg gemacht.
Als ich angekommen war, schrieb ich dem Papa noch eine Nachricht, dass ich gleich bei ihnen sein werde. 'Wir kommen runter' schrieb er zurück.
So haben wir uns also im Foyer getroffen und sind dann nach einer kleinen Weile gemeinsam mit dem Aufzug auf Station gefahren und in das Zimmer der Eltern. Dass die Zwillinge so wie auch die großen Geschwister aus einer künstlichen Befruchtung entstanden waren, wusste ich dann inzwischen schon. Auch erzählten mir die Eltern, dass sie schon einen ziemlich schweren Leidensweg hinter sich hatten - dass es der Mama in den vergangenen 2 Wochen gar nicht gut gegangen war und sie einen schweren Infekt hatte, bei dem sie hätte sterben können.
Ich war teilweise schockiert von dem, was die Eltern mir erzählten und dass die Mama in dem Krankenhaus, in dem sie zuvor waren, auf Grippe behandelt wurde - dabei hatte sie einen Blasenriss der nicht entdeckt wurde - weil man einfach nicht danach geguckt, ja die Schwangerschaft völlig außer Acht gelassen hatte.

Ich habe in diesen beiden Menschen total tolle, sehr reflektierte Eltern kennengelernt, die in diesem Moment schon wussten, dass sie keinen erneuten Versuch starten, dass sie das Glück nicht herausfordern würden, dass sie sich nun an dem Glück bereits zwei gesunde Kinder zu haben erfreuen werden - was sie auch nicht als Selbstverständlichkeit sehen. Denn wie vielen Paaren bleibt auch dieses Glück nach künstlichen Befruchtungen verwehrt…
Und sie wussten auch, dass sie nicht gegen die vorherige Klinik klagen werden. Zu viel Energie, zu viel Kraft, zu viel Zeit müssten sie da hinein stecken, die sie doch lieber für ihre 8jährigen Zwillingen verwenden möchten, zumal das ihre stillgeborenen Zwillinge Clara und Milan auch nicht zurückbringen könnte.

Wir haben uns also lange und intensiv unterhalten bis irgendwann ein Moment der Stille eintrat und ich dann fragte, ob Carla und Milan im Kreißsaal seien.
Nein, die sind hier bei uns, sagte die Mama und deutete auf die Wickelkommode hinter meinem Rücken. Ich entschuldigte mich, weil ich das vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Das zeigt aber auch, wir sehr wir in das vorangegangene Gespräch vertieft waren. Ich fragte ob ich schauen darf und habe mir dann die Beiden angeschaut, die ganz aneinander gekuschelt in einer gemeinsamen Einschlagdecke, in einem Körbchen lagen.
Der erste Blick ließ einen dicken Kloß in meinem Hals entstehen.... Die Kleinen lagen auf der Seite, einander zugewandt. Das Mädchen (90 Gramm), deutlich kleiner als der Junge (150 Gramm) aber ein wunderhübsch ausgebildetes Gesichtchen und es schien den Bruder auf die Stirn zu küssen....❤️

Milans Gesichtchen war nicht ganz so gut ausgebildet wie das seiner Schwester, und durch die Neigung seines Köpfchens ohnehin etwas versteckt, nur sein kleines Ohr war gut ersichtlich.


Aber meine Güte, sie sahen sooo friedlich aus...zugedeckt, eingekuschelt, aneinander gekuschelt und - nicht allein.
Sie waren eins. Zwillinge...mit dieser besonderen Verbindung. Ein unglaublich schönes und herzzerreißendes Bild zugleich. Seit nach der OP, seit heute Nacht um 4 Uhr sind die beiden schon da und bleiben auch hier bei uns, mindestens bis heute Abend, ließ mich die Mama wissen.



Ich hatte etwas Bedenken. Aber als ich das Körbchen hochhob, um es auf das leere Bett des Papas zu stellen, merkte ich, dass es ziemlich kalt war - okay, meine Bedenken verflogen und die Wärme im Zimmer würde den kleinen Menschlein nichts anhaben. Sie lagen offensichtlich auf einem Kühlpad, das man in ihrem Körbchen, nicht sichtbar verstaut hatte....vorbildlich, dachte ich. Immer wieder bin ich sehr angetan, wie umsichtig und würdevoll man in dieser Klinik mit Sternenkindern und ihren Eltern umgeht.

Wir entschieden uns gemeinsam, Clara & Milan genau so liegen zu lassen wie sie da liegen. Lediglich die Einschlagdecke die mit einem Bändchen zugebunden war, habe ich geöffnet um etwas mehr Freiraum zu schaffen.
Die großen Geschwister hatten am Tag zuvor Blümchen gepflückt und dem Papa mit ins Krankenhaus gegeben, sie sollten bitte auch mit auf die Bilder, was ich sehr gerne umgesetzt habe. Auch einen Brief hatte die große Schwester für ihre Geschwisterchen geschrieben...herzallerliebst und als ich ihn gelesen hab, hatte ich schon wieder einen Kloß im Hals….


Es war so eine entspannte Atmosphäre in diesem Raum, einfach schön. Und aus den Gesprächen wurde sehr deutlich klar, in was für eine wundervolle Familie Clara und Milan eigentlich hineingeboren werden sollten. So traurig, dachte ich...so schade, dass diese kleinen Menschlein die Liebe ihrer Eltern und Geschwister nicht in unserer Welt erfahren dürfen. Zu schade, dass sie nicht Hand in Hand in Hand durch´s Leben gehen dürfen.....

Bei den sternenkinder fotos wollten die großen Zwillinge nicht dabei sein, aber sie würden später kommen, um Clara & Milan kennenzulernen und sich von ihnen zu verabschieden. Auch Mama und Papa die ja im Zimmer mit dabei waren als ich ihre Kinder fotografierte, wollten nicht mit auf die Fotos.


Manchmal versuche ich ja, die Eltern dann evtl. doch noch sachte zu gemeinsamen sternenkinder fotos zu bewegen, aber in diesem Fall nicht.
Ich hatte diese Eltern sehr klar und reflektiert in ihren Entscheidungen kennengelernt und hatte einfach das Gefühl, dass der Grund darin lag, dass dies zum Eigenschutz war. Dass sie einfach nicht noch mehr Nähe aufbauen wollten, weil die Endgültigkeit dann noch viel mehr schmerzen würde. Die Intensität der Liebe kann an gemeinsamen Bildern oder nicht - jedenfalls nicht gemessen werden...

Nachdem viele sternenkinder fotos von Clara, Milan und den Blümchen gemacht, Erinnerungen für Eltern und Geschwister geschaffen waren, wurde es Zeit mich zu verabschieden. Mama und Papa haben mich wieder nach unten begleitet, was ich sehr schön fand und als ich dann Richtung Parkhaus ging, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mich gerade von 'Fremden' verabschiedet hatte... Irgendwie schafft diese intime Situation in die man hineingelassen wird, oftmals eine unvergleichliche Nähe. Man kommt als völlig 'Fremder'... in die traurigsten Momente die es für Eltern nur geben kann und wenn man geht, geht man als ‚Freund‘ - bereichert und dankbar für das Vertrauen und die Nähe, die diese Eltern zuließen.....

Gute Reise Clara Malia & Milan Eric.
Danke, dass ich euch kennenlernen durfte…



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