Noah - Eine Entscheidung aus Liebe

Noah - Eine Entscheidung aus Liebe

Es ist der 13.03.2018. Der letzte Tag, den wir zusammen haben. Es schmerzt, denn es ist, als würde man eine Sanduhr stellen. Die letzte Zeit genießen, die wir noch mit dir haben. Ich versuche jeden Moment einzufangen. Die Augen schließen und mit dem Herzen sehen...

Ich habe mit meinem Herzen gesehen und die Wahrheit erkannt . Die Wahrheit schmerzt ,deshalb wehre ich mich dagegen und versuche verzweifelt ein Licht zu finden.Ich kann dich nicht gehen lassen. Mein Kopf und mein Herz kämpfen den ganzen Tag miteinander. “Wir handeln aus Liebe, wir beschützen dich“, sagt mein Kopf. Mein Kopf zählt mir all die Dinge auf, die du jetzt bereits hast. Einen sehr seltenen Chromosomenfehler, der dich schwer geistig und wahrscheinlich auch körperlich behindert macht, wenn du überhaupt so lange in Mamas Bauch durchhältst. Einen Herzfehler haben die Ärzte noch gefunden, außerdem hast du schon einen Nierenstau und keinen Magen.

Mein Herz schreit und möchte es nicht zulassen, dass du morgen stirbst. Ich versuche die Gedanken abzuschütteln und meinen innerlichen Kampf zu ignorieren. Den ganzen Tag liege ich im Bett und frage mich ,warum du heute so unglaublich aktiv bist. Man sieht eine richtige Beule an meiner rechten Bauchdecke. Ich sehe, wie du dich bewegst, als würdest du Purzelbäume schlagen.

Willst du mir damit etwas sagen? Wehrst du dich dagegen und kämpfst? Oder willst du mir sagen, dass es okay ist ? Du machst deinem Papa ein letztes wertvolles Geschenk, denn auch er sieht und spürt dich zum ersten Mal von außen. Wir liegen einfach so da als Familie.
Du, Papa und Ich. Dein Papa muss danach los zur Arbeit. An diesen Tag ist er sehr lange weg, aber aus gutem Grund . Als er nach Hause kommt, hat er dir viele tolle Sachen gekauft. Ein Körbchen, zwei Fellteppiche, Bilder von uns, damit du nie ohne uns bist und ein Spielzeug, das über dich wachen soll. Weinend schlafen wir vor Erschöpfung ein.

Der schreckliche nächste Tag ist angebrochen. Deine Oma ist schon sehr früh zu uns gekommen, um uns zu begleiten. Um 8 Uhr im Krankenhaus angekommen, warten wir auf den Arzt. Er möchte ein letztes mal schallen. Du bist putzmunter, liegst aber leider falsch rum. Daran können wir leider nichts ändern. Danach bekomme ich zwei Tabletten, die die Wehen einleiten sollen. Ich zögere sie zu schlucken und kann meine Tränen nicht mehr aufhalten. Das ist das schlimmste, was ich je tun musste. Nachdem ich die Tabletten mit viel Wasser runtergespült habe ist mein erster Gedanke „Es tut mir leid, bitte verzeih mir!!“ Ich bin erschrocken über mich selber und denke mir immer wieder „das hast du doch nicht wirklich jetzt gemacht.“

Doch habe ich, denn kurze Zeit später fangen leichte Schmerzen an, die sich bis in den Vormittag hinein verstärken. Gegen 12.45 kommt eine Schwester und bringt mir weitere Tabletten. Danach dürfen wir unser Zimmer beziehen und ich lege mich gleich ins Bett. Unsere Wehen fangen an. Eigentlich sollte es was ganz schönes und besonderes sein. Etwas, was wir beide zusammen tun, unser erster gemeinsamer Kampf, den wir gewinnen sollten.

Mir tut es so weh, denn ich weiß, unseren Kampf werden wir verlieren. Du bist sicher ganz tapfer und versuchst durchzuhalten... Nicht nur die körperlichen Schmerzen werden bis in den frühen Abend unerträglich, mein Herz wird immer schwerer. Ich möchte aber nicht weinen, ich muss mir meine Kraft einteilen.
Um 18 Uhr bin ich fast am Ende meines Schmerzpegels und möchte in den Kreißsaal. Leider sind alle Räume belegt, deshalb muss ich noch fast 2 Stunden durchhalten. Um 19.45 liegen wir im Kreißsaal und ich bekomme starke Betäubungsmittel. Ich bin so dankbar, dass ich etwas zur Ruhe kommen darf und ich die Schmerzen wieder aushalten kann.

Dein Papa weicht uns die ganze Zeit nicht von der Seite, er ist stark für uns und wir veratmen zusammen jede Wehe. Als dein Papa uns zum zweiten Mal zur Toilette trägt, spüre ich einen gewaltigen Druck. Auf dem Weg zurück ins Bett knallt es innerlich und die Fruchtblase platzt. Ich bin schockiert darüber, wie schwallartig meine Beine nass werden. Unsere liebe Hebamme beruhigt mich, macht mich sauber und trocknet mich ab, damit ich wieder ins Bett kann. Sie untersucht mich und stellt fest, dass deine Beine und die Nabelschnur schon in meiner Scheide liegen. Dein Papa fragt, ob noch Puls auf der Nabelschnur ist. Die Hebamme schüttelt traurig den Kopf und sagt zu mir, dass ich gleich pressen muss .

Ich sage, dass ich Angst habe zu pressen und noch einen Moment brauche . Mein kleiner Noah es tut mir so leid, ich will dich nicht gehen lassen. Ich presse, aber gleichzeitig lasse ich nicht los. Die Hebamme sagt mir immer wieder, dass ich loslassen muss . Ich versuche tapfer zu sein und presse und frage viel zu oft, ob ich es endlich geschafft habe. Irgendwann merke ich, wie du aus mir rausfliegst. Ich spüre und höre es, habe es mir aber immer anders vorgestellt. Ich bin noch nicht bereit dich zu sehen, aber dein Papa ist ganz tapfer und durchtrennt die Nabelschnur. Um 23.10 bist du zur Welt gekommen in der 20. Schwangerschaftswoche und gingst gleich zu den Sternen. Ich bin jetzt eine traurige, aber stolze Mama von einem besonderen Baby. Mein Baby hat Flügel und wacht von nun an über uns. Niemand kann sehen, dass ich auch eine Mama bin. Das macht aber nichts. Nur ich muss das wissen. Kaum trage ich dich nicht mehr in mir, fühle ich mich ganz leer.

Nach meiner Ausschabung bin ich noch von der Vollnarkose zu benommen, um eine Fotografin kommen zu lassen. Mein Freund und ich mussten uns ein Bett teilen, wir haben kein zweites Frühstück oder Mittagessen erhalten.

Als wir Noah wieder aus der Kühlung zu uns holen wollen, bringt uns eine Schwester unseren Sohn noch in Papier verpackt. Wir waren zu schockiert, als etwas zu sagen. Um 10 Uhr ca. kam unsere liebe Steffi. Sie ist so unglaublich liebevoll mit uns und mit Noah umgegangen. Wenn Schwestern einfach reinkamen, hat sie sich schützend um Noah gestellt. Sie hat ihn beschützt als ich es körperlich nicht konnte.

Wir hatten dank Steffi zwei wunderschöne Stunden mit unseren kleinen Noah und ich bin so unendlich dankbar, dass sie diese kostbaren Momente für immer eingefroren hat. Ich bin dankbar, dass sie sich Zeit für uns genommen hat und ganz stark für uns war.

Eine ganz einfühlsame Schwester hat Noah wieder abgeholt und war auch sehr schockiert, das Papier zu sehen, welches wir aufbewahren sollten. Das Papier hat sie weggeschmissen, hat ihrer Kollegin dafür Ärger gegeben und dafür gesorgt, dass wir uns in der anderen Station in einem separaten Raum endgültig verabschieden konnten. Danach ist sie sogar noch zu mir gekommen, hat mich lange gedrückt und wollte sich persönlich verabschieden. Das war ein ganz schönes Gefühl...

2 Tage später hat meine Frauenärztin einen Bericht aus der Pathologie erhalten. Noah hatte außerdem keinen Nacken, keine richtig ausgeprägte Kinnpartie, tief angesetzte Ohren und deformierte Hände und Füße.
Es schmerzt, aber ich weiß, dass wir das Richtige getan haben. Wir haben unser Kind vor Leid und Schmerzen beschützt. Das ist eine der wichtigsten Aufgabe von Eltern. Wir haben eine mutige, aber auch schmerzhafte Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung aus Liebe !

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