​Lenyo Benedykt “Kleiner gesegneter Engel”

​Lenyo Benedykt “Kleiner gesegneter Engel”

Als der Alarm für Lenyo kam, war ich schon tief in der Montagsarbeit. Eigentlich kann ich unter der Woche kaum Einsätze wahrnehmen, muss sie tagsüber meist ungelesen weg klicken, aber in dem Fall hat es mich doch irgendwie beschäftigt. Ich habe dann trotzdem nicht ‘sofort’ reagiert (reagieren können). Erst nachdem ich zwischen zwei Meetings Zeit hatte, habe ich ins Forum geschaut. Hmm, keiner hat sich bisher gemeldet, das ist ja eher ungewöhnlich. Ja ok, ich könnte erst spät abends kommen, und habe das auch so gemeldet. Eigentlich erwartete ich dann, dass sich innerhalb von ein paar Minuten jemand meldet, der früher dort sein könnte und vielleicht näher dran wohnte. Nach 10 Minuten gab es aber immer noch keine weitere Antwort, jetzt, war ich froh, geschaut zu haben und, wusste, das ist “mein Sternchen”.- Den Anruf habe ich dann direkt gemacht, ich werde Lenyo kennenlernen dürfen! So gab es dann den ersten Kontakt mit dem Vater, Sven. Es gibt nichts, keine Routine was bei diesem ersten Kontakt hilft - Jeder Einsatz ist der “erste Einsatz”! Aber nachdem ich wie jedes Mal versucht habe mein Mitleid und mein Mitgefühl auszudrücken (egal was ich sage, ich weiß, es gibt keine ausreichenden Worte dafür), sagte Sven mir, dass späterer Abend ok wäre und wir verabredeten uns im Krankenhaus für 20:30Uhr. Schon bei diesem Anruf habe ich gespürt, egal wie klein Lenyo noch ist, wie unreif er noch ist, hier geht es um seinen Sohn!

Ich bereite mich gedanklich vor - SSW 20+3, wie werde ich Lenyo fotografieren, Wird es einen Unterschied machen, dass ich nicht früher kann?

Als ich am Krankenhaus ankam, bekam ich einen Text von den Eltern, dass sie schon dort waren. Ich habe nicht suchen müssen, sobald ich aus dem Auszug lief, sah ich unmissverständlich, die Mutter und den Vater von Lenyo Benedykt, Kamilla und Sven. Sie waren sehr glücklich, dass ich gekommen war, weil sie befürchteten, dass es vielleicht ‘zu spät sei’. Wir besprachen ein paar formelle Dinge, aber dann kam der Moment als ich den kleinen Lenyo zum ersten Mal sehen durfte. Ein wunderschöner, kleiner Junge. - Ja, er sah natürlich nicht mehr so aus, wie er vor zwei Tage sicherlich ausgesehen hatte - aber das ist für mich unwichtig. - In diesem Moment habe ich Lenyo kennengelernt und es war klar, ich werde versuchen mein Bestens zu tun, um eine gute Bild-Serie zu bekommen. Immer wieder betonte Kamilla, dass sie “schuld sei”, dass er erst jetzt fotografiert werden kann, sie wollten Lenyo bei sich haben für den ersten Tag, sie hatten im Krankenhaus den DSK-Flyer im Kreissaal bekommen, aber sie hatten selber nicht den Kopf und die Kraft dafür, jemanden anzurufen und wussten auch nicht wie wichtig es sein kann, sich so früh wie möglich zu melden. Über 24 Stunden hat sie ihr Kind nicht aus den Händen gegeben und auch, wenn das bedeutete, dass der kleine Lenyo sich natürlich verändert hat, es hat mich zutiefst berührt. In diesem Moment war es nicht die Trauer, welche mich emotional so “packte”, es war diese große Liebe welche zum Ausdruck kam. Vielleicht hätte man zu einem früheren Zeitpunkt noch schönere Bilder machen können, aber die Zeit, welche die Eltern, insbesondere die Mutter, mit ihrem kleinen Sohn verbracht hat, die ist so wertvoll und es käme mir nicht in den Sinn dahingehend etwas anderes zu sagen. Ich sagte, es ist “nie zu spät” und das habe ich auch genauso gemeint.

Lenyo wollte ich gut fotografieren, diese Chance hatte ich, ich wollte Lenyo würdig und respektvoll fotografieren und seine zarte Schönheit zu einer greifbaren Erinnerung machen. Sie hatten schon zwei Kinder, eine kleine Familie, aber es war ganz klar, dass Lenyo ein wichtiger Teil dieser Familie sein wird. Ich glaube, diese Wahrnehmung der Eltern als solche durch andere, eben als das, was sie sind, nämlich Eltern, “Mutter” und “Vater”, diese Wahrnehmung, die für mich selbstverständlich ist, die fehlt diesen Menschen manchmal. Aber genau von diesem Gedanke war auch die Zeit geprägt, die ich mit ihnen gemeinsam dort verbrachte. Die zwei waren dankbar, dass jemand gekommen ist, ich bin dankbar, dass sie es erlaubt haben. Ich versuchte ihnen auch, ihre Ängste über die Bilder zu nehmen. Ich versicherte ihnen, dass man auch ohne zu retuschieren die Schönheit zeigen kann, diese zarte Schönheit, welche vorhanden war, auch wenn Lenyo schon vor zwei Tagen geboren wurde. Ein kleines Menschlein, was einfach noch Zeit zum Wachsen gebraucht hätte, aber was eben wunderschön ist. Wichtig war für mich auch, den Wunsch zu erkennen, gemeinsame Bilder zu machen, die Familie zusammen - auch das haben sie mir erlaubt. Und auch da kam diese große Liebe zu dem kleinen Lenyo zum Ausdruck. Die Eltern sind so liebevoll und so natürlich mit ihrem Kind umgegangen, das war auch für mich wirklich schön. Ich weiß nicht mehr wie lang ich da war, aber es war und ist mir sehr bewusst, dass sie mich in die traurigste Situation ihres Lebens hereingelassen haben. Lenyo wird für immer ein Teil ihres Lebens sein. Lenyo wird auch immer ein Teil meines Lebens sein - ich könnte ein Sternenkind nicht so fotografieren, nicht so würdigen, wenn das nicht der Fall wäre.

Ich erhielt später eine Einladung zur Beerdigung und es war das erste Mal, dass ich zu einer Beerdigung eines von mir fotografierten Sternchens gegangen bin. Eine Trauerfeier, welche in jedem kleinen Detail diese große Liebe spüren ließ, die ich schon im Krankenhaus wahrgenommen hatte. Dass Kamilla und Sven mich tatsächlich als Gast, als Familienfreund eingeladen haben, und nicht als Fotograf (die Bilder der Beerdigung wurde von einer anderen Fotografin gemacht) habe ich auch sehr geschätzt.

Als die Ballons zum Himmel aufstiegen und der Stern mit dem Name, da gab es am Himmel einen Regenbogen, welcher genau über dem Grab mit dem kleinen, weißen Sarg zu sehen war. Genau in diesem Augenblick! Ein zu Herzen gehendes und irgendwie auch tröstliches Zeichen. Lenyo Benedykt heißt “kleiner, gesegneter Engel”, Lenyo wird seinen Eltern, seinen Geschwistern immer fehlen, aber vor allem immer in Erinnerung bleiben. Auch für mich wird er unvergessen sein.

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