18.04.2019 Planung der Bestattung - Blümchen will Lene sehen

18.04.2019 Planung der Bestattung - Blümchen will Lene sehen

Ich bin müde und erschöpft.

Der gestrige Tag hat mich aufgewühlt. Ich konnte nicht schlafen.

Als ich gegen zwei Uhr immer noch wach war, fragte ich die Krankenschwester nach einem Schlafmittel.

Sie gibt mir keines. Dann schlafe ich ja am nächsten Tag bis um 12 Uhr!

Ja und? Ist ja nicht so als ob ich zur Arbeit müsste.

Ich weine. Ich kann nicht mehr.

Die Situation ist so belastend. Ohne Schlaf wird alles noch viel schlimmer.

Ich bin zusätzlich gestresst, weil ich nicht schlafen kann. Ich brauche doch Schlaf. Ich brauche Kraft. So kann ich natürlich erstrecht nicht einschlafen.

Eine Schlaftablette bekomme ich trotzdem nicht.

Dafür einen Kamillentee.

Ich fühle mich verspottet.

Immer wieder taucht die Frage auf, ob wir Blümchen Lene zeigen wollen.

Wir sind unsicher.

Als ich das erste Mal danach gefragt wurde, erschien mir die Idee komisch, aber es wird mir immer wichtiger, vor allem jetzt, wo wir Lene halten können.

Blümchen war so aus dem Häuschen, dass sie große Schwester wird. Wir hatten viel darüber gesprochen, wie es sein wird, wenn da plötzlich ein Baby ist. Wie Babys so sind.

Sie machte Freudensprünge als klar war, dass sie eine kleine Schwester bekommt, wie ihre beste Freundin.

Sie hatte Kleidung aussortiert, die sie nicht mehr wollte und ihre Schwester haben können würde. Prinzessinnenkleider in Größe 110.

Wann immer mein Bauch nackt war, hatte sie sich darauf gestürzt und Küsse gegeben.

„Meine Mama bohrt bald ein Baby.“, erzählte sie jedem.

Auf ihrer Wunschliste zu Weihnachten stand ein Buch für das Baby.

Sie machte Pläne. Wie sie mit ihrer Schwester in ihrem eigenen Bett schläft.

Wie sie auf das Baby aufpasst, damit wir die Küche sauber machen können.

Malte den Bauch an.

Redete mit ihrer Schwester.

Da können wir ihr ihre Schwester doch nicht vorenthalten?

Jörn ist skeptisch. Er hat Sorge, dass Blümchen sehr verschreckt sein könnte. Als ich sage, dass sie ihre Schwester nicht anders kennt und das für sie ok sein wird, sagt er, dass sie Babys aber aus Büchern kennt. Er will nicht, dass Blümchen Albträume bekommt.
Das verletzt mich. Sie ist doch unsere Tochter!

Trotz seiner Bedenken halte ich es immer mehr für die richtige Entscheidung.

Ich suche Totgeburten. Erfahrungsberichte.
Ich fühle mich allein. Ich finde keinen einzigen Bericht, in dem Eltern so vom Tod ihres Kindes überrascht wurden, wie wir.

Bei den meisten Eltern wurde bei der Routineuntersuchung festgestellt, dass das Herz des Kindes nicht mehr schlägt. Oder nachdem sie zu einer außerplanmäßigen Untersuchung gingen.

Manche Kinder hatten Diagnosen.

Einige Eltern gingen dann nochmal nach Hause, andere direkt ins Krankenhaus. In jedem Fall wurde die Geburt dann zeitnah eingeleitet.

Erfahrungen wie unsere finde ich nirgends.

Ich klingele.

Ein Schüler kommt. Ich sage: Ich möchte meine Tochter sehen.

Die Ansprache von Sarahs Freundin gestern hat gewirkt.
Ich will, dass mir jemand meine Tochter bringt. Mein Baby gehört zu mir.

Er versteht mich nicht.

Ich sage erneut: Ich will meine Tochter sehen.

Er versteht mich immer noch nicht.

Ich will meine Tochter sehen! schreie ich.

Meine Nerven liegen blank.

Mittlerweile habe ich Durchfall von den ganzen Abführmaßnahmen. Mir zusetzen können sie, mich unterstützen nicht. Ich verliere mein Verständnis für das Personal.

Lene wird zu mir gebracht. Das erste Mal bin ich lange allein mit ihr.

Ich berühre ihre Nase. Streichle ihre Backen.

Nehme ihre Hand und gebe ihr einen Kuss auf ihre kleinen Fingerchen.

Sie sind so kalt. Die Haut ist kurz davor, zu reißen.

Darf ich das überhaupt? Sie so berühren?

Wie geht man nur mit einem toten Baby um?

Am Mittag kommt Jörn.

Auch er kann sie halten. Ich kann sogar ein paar Fotos machen.

Er sitzt angespannt im Bett.

Auf den Fotos sieht man seinen Schmerz. Aber auch, dass er ihn nicht richtig zulassen kann.

Er hat sie erst kurz im Arm, da kommt der Bestatter. Wir hatten etwas später mit ihm gerechnet.

Ich übernehme Lene bis ich nicht mehr kann. Dann legt Jörn sie in ihr Körbchen.

Entscheidungen müssen getroffen werden.

Holzsarg oder Korbsarg?

Erdbestattung oder Feuerbestattung?

Kinderwahlgrab oder Kinderreihengrab?

Holzkreuz oder Holztafel?

Vor- und Nachname auf der Tafel?

Geburtsdatum?

Soll das Bestattungsunternehmen Urkunden beantragen?

Wie soll die Zeremonie ablaufen?

Für den Friedhof müssen wir ein Formular ausfüllen. Nutzungsberechtigte Person steht da.

Wer ist das? Wir oder Lene?

Wir sind erschöpft. Ist das anstrengend.

Und absurd. Solche Entscheidungen für sein Kind treffen zu müssen.

So unglaublich absurd.

Der Bestatter telefoniert mit der Friedhofsverwaltung.

Er macht zwei Termine aus: einen, an dem wir auf dem Friedhof Lenes Platz aussuchen müssen.

Jörn war in den letzten Tagen schon mal dort. Er hatte Fotos vom Kinderfeld geschickt. Das sah eigentlich ganz nett aus. Darf man sowas sagen? Die Kindergräber sehen nett aus?

Der andere Termin ist für die Beerdigung. Der einzig mögliche Termin ist am 29. April um 10 Uhr, einem Montag.

Er sagt, dass Lene so lange im Krankenhaus bleiben kann wie ich. Dass ich sie sogar ins Bestattungsinstitut begleiten kann, wenn ich möchte.

Über Ostern ist eine Kollegin da, mit ihr kann ich am Tag vor der Entlassung eine Uhrzeit für die Abholung ausmachen.

Wir fragen den Bestatter nach seiner Meinung zu Blümchen und Lene.

Er meint, wir könnten ihr sagen, dass Lene aussieht wie eine Puppe, der die Haut abblättert. Oder dass es aussieht, als sei sie hingefallen und hat jetzt Wunden im Gesicht.

Das gefällt uns gut und wir einigen uns darauf, dass wir Blümchen selbst entscheiden lassen wollen, ob sie ihre Schwester sehen will.
Am Abend machen wir ein Videotelefonat zu dritt.
Ich beschreibe Lene. Erzähle, dass ihr Weg zu uns ein bisschen schwer war und sie deshalb ein paar Wunden im Gesicht hat. Und dass sie in eine große Decke gewickelt ist, damit sie nicht so friert, weil sie ganz kalt ist.

Als ich sie dann frage, ob sie sie trotzdem sehen möchte, sagt sie sofort Ja.

Teil 6 von 14

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