Unsere Geschichte ist mitunter ein Beispiel dafür, wie es irgendwie nicht laufen sollte. Hätte ich an diesem Tag von Euch gewusst und all die anderen Dinge, wäre es wahrscheinlich anders gelaufen. Ich weiß nicht, wer oder ob hier überhaupt alle Geschichten gelesen werden die ankommen. Es sind bestimmt unzählige, aber wie schon dort stand, reden hilft und irgendwie hoffe ich, dass es dazu beiträgt - keine Ahnung, ob andere davon erfahren - dass andere Eltern, gerade in diesen frühen Schwangerschaftswochen den Abschied von ihren Kleinen schöner erleben können oder vielleicht auch wissen, dass auch andere es so "unschön" durchleben mussten.
Manchmal denke ich, ich habe gar kein Recht zu trauern, weil Mattis noch so klein war. Ich lese so viele Geschichten von "großen" Babys die ihre Reise antreten mussten und die Eltern, die so unendlich traurig sind. Jeder würde sich wahrscheinlich denken, ach, wenn uns das in diesen frühen Wochen passiert wäre und nicht jetzt, in so einer späten SSW, wäre es vielleicht nicht so schlimm. Aber auch so früh tut es so unendlich weh. Man hat sich doch auch schon auf den Kleinen gefreut. Und plötzlich ist von einer Sekunde auf die andere alles anders.
Als wir den Schwangerschaftstest in der Hand hatten, haben wir uns so sehr gefreut. Am Anfang der Schwangerschaft hatte ich leider Blutungen. Jeden Tag habe ich gebangt ob auch alles noch in Ordnung ist. Aber mit der Zeit wurden die Blutungen weniger und letzlich waren wir uns sicher, alles wird gut. Der Frauenarzt sagte auch, alles sei in Ordnung. Dann an einem Sonntag in der 14. SSW, ich stand abends im Bad, wollte mich umziehen, als ich für wirklich nur einen Bruchteil einer Sekunde das Gefühl hatte, dass die Brust kleiner war. In der Schwangerschaft wird es da ja auch mehr. In dem Moment habe ich gedacht, ach das geht ja gar nicht. Am nächsten Tag hatte ich irgendwie ein Ziehen im Bauch. Eigentlich nichts Besonderes. In meinen drei vorherigen Schwangerschaften hatte ich das auch und es war ja alles immer gut. Irgendwie hatte ich trotzdem ein komisches Gefühl. Ich weiß bis heute nicht, was es war oder woran es lag. Ich habe erst überlegt, ob ich überhaupt beim Arzt anrufen soll. Ich habe es dann doch gemacht weil ich keine Ruhe gefunden habe und gleich für Dienstag Mittag einen Termin bekommen. Bis dahin habe ich nicht daran gedacht, dass wirklich die Möglichkeit besteht, das in der 14. SSW irgendwas nicht mehr in Ordnung sein könnte, nachdem bei der ersten großen Vorsorge alles top war.
Wie falsch man doch manchmal liegen kann. Beim Arzt erzählte ich meine Bedenken. Mein Arzt sah mich an und sagte "Sie sind jetzt so weit, das passiert nichts mehr! Aber ich kann ja zu IHRER Beruhigung einen Ultraschall machen. Ich setzte mich auf den Stuhl und er hielt den Ultraschallknauf auf meinen Bauch und schaute. Ich sah auch hin und dachte, das irgendwas anders sei. Ich wollte in dem Moment wohl nicht wahrhaben was ich sah. Ich dachte, wo ist der Herzschlag und dann doch wieder " ach, da ist er ja". Der Arzt sagte zu mir und meinem Mann dass wir lieber in das Ultraschallzimmer gehen weil das Gerät dort besser ist. In dem Moment kam ich nicht auf die Idee, dass er schon das Unausweichliche gesehen hatte und nur auf Nummer sicher gehen wollte bevor er etwas zu uns sagte. Im Ultraschallzimmer schaute er wieder auf meinen Bauch. Irgendwann kam der Satz "Es tut mir leid, aber es ist kein Herzschlag mehr da."
Dieser Moment war, als bekäme man eine Backpfeife mitten ins Gesicht. Mein Mann und ich konnten nichts sagen. Irgendwann dachte ich, du musst doch jetzt weinen! Und ich weinte, ohne jegliches Gefühl dabei. Der Arzt sagte uns, wir sollen ins Krankenhaus und dort würde eine Ausschabung gemacht. Alles ganz sachlich. Der Nachhauseweg war der längste Weg, den wir je gefahren sind. Keiner spach ein Wort. Jeder war zu geschockt um zu sprechen. Wir hielten bei der Oma an, um es ihr zu sagen. Danach mussten wir noch unseren drei Kindern Bescheid sagen. Was sagt man da? Irgendwie haben wir es doch geschafft und alle waren einfach nur traurig und konnten es nicht vestehen. Dann musste ich im Krankenhaus anrufen. Wie schwer es doch ist auf der Sation anzurufen und zu sagen, was einem gerade passiert ist. Die Krankenschwester sagte, wir sollen noch heute kommen. Schnell wurden die Sachen gepackt, die Kinder zur Oma gebracht. Im Krankenhaus angekommen war neben dem Empfang ein Fernseher auf dem die Neugeborenen des Krankenhauses präsentiert wurden. In diesem Moment ist dieses das Letzte, was man sehen möchte. Auf der Station angekommen sollten wir uns in einen Warterbereich setzen. Immer wieder kamen Schwestern vorbei, doch niemand kam zu uns. Nach zwei Stunden dann endlich jemand, der auf uns zukam, nur um zu sagen, wir könnten für heute wieder nach Hause, es sei dort zu viel zu tun. Wir sollen am nächsten Tag wiederkommen. Also haben wir uns wieder auf dem Heimweg gemacht.
Immer noch, ohne das Ganze so richtig verstanden zu haben. Nun musste ich noch den anderen Großeltern erzählen was passiert war. Den ganzen Tag hatte ich niemanden erreicht. Keiner konnte verstehen was passiert war. Alle waren wieder geschockt. Die Nacht war unruhig und am nächsten Morgen im Krankenhaus hat man uns zum Glück nicht so lange warten lassen. Es kamen zwei Ärztinnen um das zu bestätigen, was wir schon wussten. Dann sagte die eine Ärztin, dass die Geburt eingeleitet werde, weil unser Baby ja schon so groß ist. In dem Moment empfand ich das als furchtbar. Wieso sollte ich da jetzt auch noch durch? Aber ich akzeptierte es in dem Moment. Kurz darauf bekam ich die erste Tablette zur Einleitung. Zu dem Zeitpunkt war es ca. 10.00 Uhr. Alle zwei Sunden sollte dies wiederholt werden. Die Schwestern der Station waren sehr nett und trotzdem ist nicht alles so gelaufen wie man es sich für einen Abschied wünscht. Es kam in dieser Zeit auch immer wieder eine Hebammenschülerin zu uns aufs Zimmer. Sie war sehr nett, beantwortete alle unsere Fragen und war wirklich eine große Stütze. Sie sagte auch, sie würde versuchen Fußabdrücke zu machen. Ich war so froh, dass sie immer wieder kam. Irgendwann hatte sie leider Feierabend. Ob die andere Hebamme, die noch zuständig war kommen würde, wusste sie nicht, weil diese im Kreißsaal kurz vor einer Geburt stand. Eine Frau sollte an dem Tag ihr Baby bekommen während meins seine letzte Reise antreten sollte.
Ich konnte das nicht verstehen. Es war so unfair. Mein Mann sagte zu mir, dass ich nicht wisse, was diese Frau auch schon durchgemacht hat. Und irgendwie hatte er ja Recht. Irgendwann sagte man mir, ich könnte sämtliche Schmerzmittel bekommen, da man ja jetzt keine Rücksicht mehr nehmen bräuchte und das nahm ich am Nachmittag an. Obwohl die Schmerzen noch auszuhalten waren. Es war wohl eher die Angst doch noch mehr merken zu können. Irgendwann platzte die Fruchtblase, als ich dies dem Arzt sagte, meinte er, er wüsste nicht ob das wirklich Fruchtwasser ist. Warum er das so sagte weiß ich nicht. Ich habe es ja selbst gemerkt wie es im Bauch "knack" machte. Dann um 16.38 Uhr am 8.2. 2017 kam unser Kleiner ganz leise und sanft in diese Welt. Ich merkte, dass er auf einmal da war und fragte meinen Mann ob er nachschauen könne. Er wusste bis dahin nicht, ob er dabei sein wollte und schauen wollte. Er sagte ja und rief dann die Schwestern. Eine Ärztin und eine Schwester kamen, nabelten ab und legten ihn auf eine Mullwindel. Er war noch so winzig. Aber alles war dran. Winzige Finger und Füßchen, eine winzige Nase. Schon jetzt perfekt. Man ließ uns allein. Wir, mit dem winzigen Bündel Mensch auf einer blutverschmierten Mullwindel. Durch die ganze "Fummelei" an diesem kleinen Körper. sah er nicht mehr so friedlich aus wie er ein paar Minuten nach der Geburt aussah, bevor er angefasst wurde. Der Kopf war irgendwie verdreht. Keiner kam, um unseren Kleinen vielleicht auch in ein kleines Körbchen zu legen und mit einer kleinen Decke zuzudecken. Nur er auf dieser schmutzigen Windel. Keine Kerze die vielleicht für ihn angezündet wurde. Keiner sagte uns, sie können Fotos machen lassen, sie können ihn segnen lassen usw. Und das in einem kirchlichen Krankenhaus. Letztendlich blieben uns vielleicht zwanzig Minuten mit ihm, bis ich zur Ausschabung in den OP gefahren wurde. Ich hatte ihn bei mir. Keiner sagte mir ich könnte ihn noch im Zimmer bei meinem Mann lassen. Die Schwester deckte meine Decke über ihn, damit keiner etwas sehen konnte. Mein Kind wurde versteckt! Sicher sollten andere Leute geschützt werden aber was war mit meinen Gefühlen? Im Op wurde er mir aus der Hand genommen und einfach auf eine Ablage gelegt. Mein Kind, einfach so auf irgendeinem sterilen Schrank. Nie wieder würde ich ihn sehen oder halten. Keinen richtigen Abschied konnten wir bekommen.
Zum Glück hatten wir selbst ein paar sternenkinder fotos machen können. Diese sind allerdings sehr pietätlos und meinen Kindern konnte ich sie bis heute nicht zeigen. Selbst mein Mann kann sie sich nicht anschauen. Wir blieben dann noch die Nacht im Krankenhaus. Wie gerne hätte ich ihn nochmal gesehen. Ihn gestreichelt, auf Wiedersehen gesagt. Aber keiner sagte, dass das noch geht. Fußabdrücke wurden übrigens auch nicht mehr gemacht. Am nächsten Tag kam wieder die liebe Hebammenschülerin zu uns, schade das sie nicht den Rest des Tages dabei gewesen war, denn dann wäre einiges bestimmt anders gewesen. Sie brachte uns ein Sternenkindkärtchen mit einem Foto von unserem Kleinen. Dieses Foto hatte die Ärztin noch gemacht und noch eins mit uns zusammen. Wenigstens das hatten sie für uns gemacht. Allerdings waren die Fotos so schrecklich und irgendwer hatte aus dem einen Foto ein liebloses Herz ausgeschnitten. Sie fragte uns nach dem Namen. Doch zu dem Zeitpunkt waren wir so überfordert und wussten nicht wie er heißen sollte, da wir vorher auch noch keinen Namen ausgesucht hatten. Sie trug in dieses Kärtchen dann einfach als Namen "Kleines Winterkind" ein. Danach machten wir uns auf den Nachhauseweg. Als wir noch nicht lange daheim waren, klingelte die Post an der Tür und brachte uns ein Päckchen mit einem Kinderwagennetz was ich bestellt hatte. Ein äußerst ungünstiger Moment. Ich konnte nur noch weinen. Ich wollte doch einfach mein kleines Baby wiederhaben. Drei Wochen danach wurde er mit anderen Sternenkindern in einem Sammelgrab beigesetzt. Was für ein schwerer Gang. Und er bekam dann doch noch einen Namen: Mattis. So wie der Räuberhauptmann in Astrid Lidgrens " Ronja Räubertochter". Außerdem wurde er im Stammbuch eingetragen damit er ganz dazugehört. Irgendwie haben wir die Zeit durchgestanden und er gehört wie alle anderen Kinder zu uns. Leider kann das nicht jeder im Bekanntenkreis nachvollziehen und so viele haben es vermieden uns darauf anzusprechen. Im Dorf wussten irgendwann so viele Bescheid aber keiner, bis auf eine Frau, sprach uns an. Viel zu groß war wohl ihre Angst über dieses Thema zu sprechen.
Trotzdem wollten wir für ihn und unsere Kinder noch ein Geschwisterchen. Genau sechs Monate nach seiner Geburt, am 8.8. 2017, drei Tage vor dem eigentlichen Entbindungstermin hielt ich wieder einen positiven Schwangeschftstest in den Händen. Diese Schwangerschaft war voller Angst aber diesmal ging alles gut und unser anderer Kleiner Mann erblickte im April 2018 das Licht der Welt. Ich bin jedoch immer noch so traurig darüber, das wir nicht die Möglichkeit hatten unsere Mattis fotografieren zu lassen oder ihn in eine Decke zu wickeln und Zeit bekamen um ihn würdevoll zu verabschieden. So wie das andere Krankenhäuser mit ihren Sternenkindern machen. Das wird wahrscheinlich immer in meinem Kopf sein. Trotzdem bin ich so froh, ihn kennenlernen zu dürfen, ihn nicht durch eine Ausschabung zu verlieren. Wenigstens hatten wir, eine, wenn auch zu kurze, Zeit miteinander.
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