Mein erstes Sternchen - ein kleiner Astronaut
Seit Januar darf ich mich DEIN Sternenkind-Fotograf nennen.
Letzte Woche ging bei mir zum vierten Mal die Alarm-App auf dem Handy los – und wieder hatte ich einen kleinen Adrenalinschub und war sehr aufgeregt:
wo ist der Einsatzort, welche Zeitfenster kann ich anbieten ...?
Diesmal passte Alles. Im Forum hatte ich gesehen, dass Beate schon Kontakt mit den Eltern aufgenommen hat.
Sie sei aber nicht unglücklich, wenn jemand anderes übernehmen könnte, zumal sie auch ziemlich weit zu fahren hätte.
Sie führte dann ein schönes Telefongespräch mit mir, wo sie auch wissen wollte, ob es wirklich ok für mich ist.
Einmal muss man ja anfangen, sagte ich ihr, und hatte somit meinen ersten DeinSternenkind- Einsatz angenommen:
Kleiner Junge, 27.SSW, kein Herzschlag mehr, Geburt wird eingeleitet, Mutter hat schon erste Wehen…
Und da erreichte dann meine Aufgeregtheit ihren Höhepunkt, obwohl ich Kinderkrankenschwester bin und bis vor 2 1/2 auf einer Frühgeborenenintensivstation gearbeitet habe.
Ich habe hektisch meine Tasche gepackt, den Foto gecheckt, Mann und Kinder darüber informiert, dass es jederzeit sein könnte, dass ich wegmuss.
Die Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen, mit dem Handy neben mir, was ich sonst nie mache.
Am nächsten Tag bin ich früher aufgestanden, als ich es sonst an einem freien Samstag getan hätte.
Ich wollte ja fertig gerichtet sein, wenn die Mutter anruft. Es kam aber kein Anruf.
Nachmittags entschloss ich mich, eine SMS an die Mami zu schreiben, mit der vorsichtigen Anfrage, ob die Geburt schon absehbar sei.
Es kam keine Antwort*** und irgendwann habe ich mich dann selbst beruhigt. Wusste ich doch von Berufs wegen und aus eigener Erfahrung, dass eine Einleitung dauern kann.
Die zweite Nacht habe ich dann wesentlich besser geschlafen und bin am Sonntag „normal“ aufgestanden.
Es war ein wunderschöner, sonniger Tag – ich war im Garten, spazieren und konnte richtig gut entspannen.
Als ich mir abends gerade Gedanken darüber machte, wegen einem Backup für die Nacht (mein Mann ist Rettungsassistent, hatte Nachtdienst und ich wollte nicht mitten in der Nacht los und die Kinder, 12,12,14 Jahre alleine lassen), kam der Anruf der Mutter: es sei jetzt plötzlich Alles ganz schnell gegangen und der kleine E. wurde vor einer halben Stunde geboren.
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Ich sitze im Auto. Die Nervosität, die kurz wieder aufkam, verfliegt erstaunlich schnell.
40 Minuten später fahre ich, in einer mir unbekannten Klinik, ins Parkhaus und mit dem Aufzug in den 4.Stock, wo sich der Kreißsaal befindet.
Die Hebamme erklärt mir, die Familie sei im Wehenzimmer, dem gemütlichsten Raum hier.
Ich klopfe an und trete ein.
Mich empfängt eine sichtlich erfreute Mami, sitzend im Krankenbett, ein ergriffener Papi, der etwas nervös durch das Zimmer läuft und eine Omi, die neben dem Krankenbett steht und den kleinen E. hält.
Ganz friedlich sieht der kleine Mann aus, wie er da so liegt, eingewickelt in ein Handtuch und die Arme überkreuzt.
Ich frage die Mama, ob sie bestimmte Vorstellungen hat, wie ihr Sohn fotografiert werden soll.
Sie meint, sie sei ganz offen für Alles.
Was für eine tolle und starke Frau ich da erlebe!
Sie sorgt sich um ihren Mann und sagt ihm, er brauche sich nicht zu beherrschen und darf seinen Gefühlen freien Lauf lassen, was er dann auch macht. Bei ihrer, mit den Tränen kämpfenden Mutter, bedankt sie sich für ihr Kommen und ihre Unterstützung.
„Ich glaube ihr seid schon Alle viel weiter als ich“, sagt sie zu den Beiden.
Sie ist Ärztin und hat sich sicherlich schon mit Trauerarbeit auseinandergesetzt.
Ich mache die ersten Fotos. Dazu lege ich den kleinen Mann unbekleidet auf ein blaues Tuch, das ich mitgebracht habe. Er ist wunderschön, hat keine äußeren Missbildungen und ist noch warm. Mir steigt ein bekannter Geruch in die Nase, der Geruch nach neugeborenem Baby, eine Mischung aus Käseschmiere und Blut, und ich fühle mich irgendwie wieder an meinen alten Arbeitsplatz versetzt… Routinert lagere ich das Frühchen.
Danach lege ich den kleinen Mann auf die nackte Haut seiner Mami, damit sie noch seine Wärme spüren kann. Auch der Papi darf natürlich mit aufs Bild. Und jetzt endlich schafft es auch die Mama ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, die Tränen kullern.
E. bekommt nun von seiner Mutter einen Body angezogen, den sie in einem Nähkurs für Babykleidung selbst gefertigt hat. Ganz fertig hat sie ihn nicht mehr bekommen, die Druckknöpfe fehlen noch. Das macht nichts, da er eh noch viel zu groß ist. Wir schlagen ihn ein und ihr Sohn sieht gut darin aus.
Dann bekommt er noch eines der beiden Engelchen, die ich mitgebracht habe, in die Hand.
„Ich merke jetzt schon, wie wichtig mir diese Fotos sind!“ – wieder fällt ein Satz von der Mutter, den ich nicht vergessen werde.
E. wird ein letztes Mal von uns umgezogen.
Er bekommt in (fast) passender Größe, genäht von „Nähen für „Sternenkinder“, Mützchen, Oberteil und Hose angezogen. Alles ist aus einem Stoff mit Weltallmotiven genäht. Die Eltern meinen, die Kleidung würde aber gut zum Papa passen. Ich frage: „Warum?“. Ja, er sei Ingenieur für Raumfahrttechnik. Schön, mit meiner Kleiderwahl habe ich einen Volltreffer gelandet!
Jetzt darf das kleine Kerlchen nochmal auf den Arm der Mutter und dann zu der tollen, starken Oma.
Ich frage die Eltern, ob sie noch weitere Fotos wünschen.
Da äussert der Vater den Wunsch, er wolle jetzt auch noch Fotos mit El.
Behutsam, aber stolz hält er ihn im Arm und es entstehen noch innige Vater-Sohn-Fotos.
Ich lasse die Eltern den Vertrag unterschreiben und packe meine Sachen zusammen. Der Papa möchte mir Geld zustecken. Ich lehne ab und mache den Vorschlag, sie könnten das Geld an „DEIN Sternenkind“ spenden.
Eltern und Oma sind tief beeindruckt und können kaum glauben, dass so viele diese Arbeit ehrenamtlich machen, Fotografen wie auch Näherinnen, und wirklich nichts dafür bekommen.
Mir wird tiefe Dankbarkeit entgegengebracht, was ich als großes Geschenk empfinde und mir Lohn genug ist für meine „Arbeit“. Mit einem guten Gefühl fahre ich Nachhause zu meinen Kindern.
*** im Nachhinein stellte sich heraus, die Mutter hatte mir geantwortet. In der Aufregung wurde die Nachricht von mir übersehen.
"... Wir hatten auf der Beerdigung die Collage von E. gerahmt aufgestellt und es war für mich von großer Bedeutung, bei der Trauerfeier ein Bild von unserem Engelchen sehen zu können.
Unsere Familien und Freunde waren alle sehr beeindruckt von den Fotos und es war so toll für uns, wie "echte" Eltern stolz Fotos von unserem Sohn zeigen zu können ...
Wir haben allen von den Sternenkindfotografen erzählt und hoffentlich haben andere Eltern so auch die Chance, diesen wertvollen Schatz der Fotos zu bekommen, so wie wir."
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